Eine Bühne
Eine Bühne, bunt und heimlich.
Deren Vorhang Breughel malte,
Shakespeare malte die Paläste
Und Watteau die sanften Weiden —
In Decembernächten träum ich,
Fröstelnd mir die Hände reibend,
Eine Bühne, bunt und heimlich,
Deren Vorhang Breughel malte.
Plumpe Rüpel, täppisch lüstern,
Stopfen sich die magren Waden:
Ach! sie lieben Colombinchen,
Möchten gern ihr imponiren . . .
Eine Bühne, bunt und heimlich!
Feerie
Gewaltge, goldne Purpurvögel,
Geflügelten Juwelen gleich,
Ruhn auf gigantischen Oliven
In Breughels prunkenden Feerien.
Sie flattern auf — und breite Schatten
Streun sie auf brütende Prairien —
Gewaltge, goldne Purpurvögel,
Geflügelten Juwelen gleich.
Mit starken Pfeilen, heiss und gleissend.
Durch üppig wucherndes Gerank
Bahnt ihre Pfade sich die Sonne . . .
Und tiefer glühn in ihrem Strahl
Gewaltge, goldne Purpurvögel.
Der Dandy
An Herman Bahr
Mit einem phantastischen Lichtstrahl
Erleuchtet der Mond die krystallnen Flacons
Auf dem schwarzen, hochheiligen Waschtisch
Des schweigenden Dandys von Bergamo.
In tönender, bronzener Schale
Lacht hell die Fontaine, metallischen Klangs.
Mit einem phantastischen. Lichtstrahl
Erleuchtet 'der Mond die krystallnen Flacons.
Pierrot mit dem wächsernen Antlitz
Steht sinnend und denkt: wie er heute sich schminkt?
Fort schiebt er das Rot und des Orients Grün
Und bemalt sein Gesicht in erhabenem Stil
Mit einem phantastischen Mondstrahl.
Schweres Loos
Mit den Gabeln in den Fäusten
Schaun die Schlemmer stumpf darein,
Leer die Flaschen, leer die Schüsseln,
Hin sind Austern und Dessert.
Und die Piccolos in den Ecken
Ziehn Grimassen, bübisch frech.
Mit den Gabeln in den Fäusten
Schaun die Schlemmer stumpf darein.
Blaubeflügelte Insekten
Stossen mit den schwarzen Köpfen
An die abendroten Fenster:
Brummelnd höhnen sie die Schlemmer
Mit den Gabeln in den Fäusten.
Eine blasse Wäscherin
An Moritz Posener
Eine blasse Wäscherin
Wäscht zur Nachtzeit bleiche Tücher;
Nackte, silberweisse Arme
Streckt sie nieder in die Flut.
Durch die Lichtung schleichen Winde,
Leis bewegen sie den Strom.
Eine blasse Wäscherin
Wäscht zur Nachtzeit bleiche Tücher.
Und die sanfte Magd des Himmels,
Von den Zweigen zart umschmeichelt,
Breitet auf die dunklen Wiesen
Ihre lichtgewobnen Linnen —
Eine blasse Wäscherin.
Serenade
An Paul Höniger
Mit groteskem Riesenbogen
Kratzt Pierrot auf seiner Bratsche.
Wie der Storch auf einem Beine,
Knipst er trüb ein Pizzicato.
Plötzlich naht Cassander — wütend
Ob des nächtgen Virtuosen —
Mit groteskem Riesenbogen
Kratzt Pierrot auf seiner Bratsche.
Von sich wirft er jetzt die Bratsche:
Mit der delikaten Linken
Fasst den Kahlkopf er am Kragen —
Träumend spielt er auf der Glatze
Mit groteskem Riesenbogen.
Der Koch
Eine goldne Omelette
Auf des Himmels schwarzem Herde
Steht der Mond — in allen Fenstern
Spiegelt sich sein gelbes Bild.
Wie ein Koch — in weissen Kleidern.
Prüft Pierrot mit Kennerblick
Eine goldne Omelette
Auf des Himmels schwarzem Herde.
Und mit sachlich krausen Mienen
Schwingt er eine Casserole,
Denn gleich gilt es — umzuwenden
In der Sterne sprühnden Funken
Eine goldne Omelette.
Harlequinade
Einen seidnen Regenbogen
Trägt er auf dem Maskenkleide,
Rasch, gleich einer bunten Schlange,
Schlüpft er gleissend durchs Gewühl.
Wie Diogenes nach Menschen
Sucht er — um sie anzulügen,
Einen seidnen Regenbogen
Trägt er auf dem Maskenkleide.
Vor dem neidischen Cassander
Brüstet sich der Strolch: er wär ein
Spanischer Marquis und trüg als
Wappen im azurnen Felde
Einen seidnen Regenbogen!
Nordpolfahrt
Einen Eisblock, schillernd weiss,
Scharf gewetzt vom Licht der Nächte,
Trifft Pierrot — als er verzweifelnd
Fühlt, wie schon sein Schiff versinkt.
Frisch belebten Auges starrt er
Auf den Retter, ungeahnt —
Einen Eisblock, schillernd weiss,
Scharf gewetzt vom Licht der Nächte.
Und er scheint ihm ein Collega:
Ein Pierrot mit bleichen Aermeln.
Und mit feierlichen Gesten
Grüsst er seinen treuen Bruder,
Einen Eisblock, schillernd weiss.
Colombine
An Heinrich Rickert
Des Mondlichts bleiche Blüten,
Die weissen Wunderrosen,
Blühn in den Julinächten —
O bräch ich eine nur!
Mein banges Leid zu lindern,
Such ich am dunklen Strome
Des Mondlichts bleiche Blüten,
Die weissen Wunderrosen.
Gestillt wär all mein Sehnen,
Dürft ich so märchenheimlich,
So selig leis — entblättern
Auf deine braunen Haare
Des Mondlichts bleiche Blüten!
Harlequin
Leuchtend wie ein Sonnenspectrum,
Lang und hager wie ein Rohr,
Schüttelt Harlequin voll Wut ein
Giftgeschwollnes altes Weib.
Drauf besticht er sie mit einem
Grossen, silbernen Fünfmarkstück,
Leuchtend wie ein Sonnenspectrum,
Lang und hager wie ein Rohr.
Schmunzelnd steckt es ein die alte
Kupplerin und führt dem Schlingel
Colombine zu. Voll Jubel
Tanzt er unterm blauen Himmel,
Leuchtend wie ein Sonnenspectrum.
Die Wolken
An Gerhart Hauptmann
Gleich himmlischen Fischen
Mit blitzenden Flossen,
Schillern die Wolken
In Purpur und Gold.
Sie leuchten und glühn
Vor der sterbenden Sonne,
Gleich himmlischen Fischen
Mit blitzenden Flossen.
Auf schwarzen Barken
Rudert die Nacht heran.
Aus wirft sie die Netze
Und — fängt die Fische
Mit den blitzenden Flossen.
Mein Bruder
Die stumme Mondesgöttin säugt
Mit ihrer Milch die braune Nacht.
Wir dürsten beide, nie gestillt,
Nach ihrer weissen Brust.
Wir sind von gleichem Blut, uns zog
Die eine blasse Mutter auf —
Die stumme Mondesgöttin säugt
Mit ihrer Milch auch uns.
All meiner Verse fahler Glanz,
All deines Kleides bleicher Schein
Enttaucht demselben linden Strom,
Mit dem zur Nacht die weite Welt
Die Mondesgöttin säugt.
Raub
Rote, fürstliche Rubine,
Blutge Tropfen alten Ruhmes,
Schlummern in den Totenschreinen,
Drunten in den Grabgewölben.
Nachts, mit seinen Zechkumpanen,
Steigt Pierrot hinab — zu rauben
Rote, fürstliche Rubine,
Blutge Tropfen alten Ruhmes.
Doch da — sträuben sich die Haare,
Bleiche Furcht bannt sie am Platze:
Durch die Finsterniss — wie Augen! —
Stieren aus den Totenschreinen
Rote, fürstliche Rubine.
Herbst
Durch die braunen, trocknen Blätter
Schlenkert raschelnd er die Beine,
Lauscht und legt den Zeigefinger
An die offnen, bleichen Lippen.
Was das welke Laub verrate,
Möcht er aus dem Herbste horchen.
Durch die braunen, trocknen Blätter
Schlenkert raschelnd er die Beine.
Starr am Boden haften fragend,
Angstvergrössert seine Augen.
Halbverschwiegne Flüsterlaute,
Qualerdrückte Klagen hört er
Aus den braunen, trocknen Blättern.
Mondestrunken
An Heinrich Hart
Den Wein, den man mit Augen trinkt,
Giesst Nachts der Mond in Wogen nieder,
Und eine Springflut überschwemmt
Den stillen Horizont.
Gelüste, schauerlich und süss,
Durchschwimmen ohne Zahl die Fluten!
Den Wein, den man mit Augen trinkt,
Giesst Nachts der Mond in Wogen nieder.
Der Dichter, den die Andacht treibt,
Berauscht sich an dem heilgen Tranke,
Gen Himmel wendet er verzückt
Das Haupt und taumelnd saugt und schlürft er
Den Wein, den man mit Augen trinkt.
Galgenlied
Die dürre Dirne
Mit langem Halse
Wird seine letzte
Geliebte sein.
In seinem Hirne
Steckt wie ein Nagel
Die dürre Dirne
Mit langem Halse.
Schlank wie die Pinie,
Am Hals ein Zöpfchen —
Wollüstig wird sie
Den Schelm umhalsen,
Die dürre Dirne!
Selbstmord
In des Mondes weisser Robe
Lacht Pierrot sein blutges Lachen.
Wirrer werden seine Mienen,
Glas auf Glas stürzt er hinab!
Droben in die kreidge Mauer
Schlägt er bebend einen Nagel —
In des Mondes weisser Robe
Lacht Pierrot sein blutges Lachen!
Und er schürzt den Henkersknoten.
Schmückt den Hals sich mit der Schlinge —
Und mit ausgestreckter Zunge
Hängt er, zappelnd wie ein Karpfen,
In des Mondes weisser Robe.
Nacht
An Otto Julius Bierbaum
Finstre, schwarze Riesenfalter
loteten der Sonne Glanz.
Hin geschlossnes Zauberbuch,
Ruht der Horizont — verschwiegen.
Aus dem Qualm verlorner Tiefen
Steigt ein Duft, Erinnrung mordend!
Finstre, schwarze Riesenfalter
Töteten der Sonne Glanz.
Und vom Himmel erdenwärts
Senken sich mit schweren Schwingen
Unsichtbar die Ungetüme
Auf die Menschenherzen nieder . . .
Finstre, schwarze Riesenfalter.
Sonnen-Ende
Die sieche Sonne lässt ihr Blut entströmen
Auf rotem Wolkenbett;
Es träufelt aus den Wunden nieder
Und färbt das Land.
Es rieselt auf der jungen Eichen
Bang zitterndes Laub —
Die sieche Sonne lässt ihr Blut entströmen
Auf rotem Wolkenbett.
So öffnet sich ein müder Lüstling,
Vom Ekel vor dem Tage übermannt,
Die Adern, dass das kranke Leben
In Staub verrinnt . . .
Die sieche Sonne lässt ihr Blut entströmen.
Der kranke Mond
An Wilhelm von Hohenhausen
Du nächtig todeskranker Mond
Dort auf des Himmels schwarzem Pfuhl,
Dein Blick, so fiebernd übergross,
Bannt mich wie fremde Melodie.
An unstillbarem Liebesleid
Stirbst du, an Sehnsucht, tief erstickt,
Du nächtig todeskranker Mond
Dort auf des Himmels schwarzem Pfühl.
Den Liebsten, der im Sinnenrausch
Gedankenlos zur Liebsten schleicht,
Belustigt deiner Strahlen Spiel —
Dein bleiches, qualgebornes Blut,
Du nächtig todeskranker Mond.
Absinth
An Richard Dehmel
Im Oceane des Absinths
Fand ich den Continent des Rausches!
Dort ist das Klima capriciös
Wie — eine schwangre Frau.
Das Meer ist trunken wie die Luft
Und tanzt in grünlich gelben Wogen.
Im Oceane des Absinths
Fand ich den Continent des Rausches!
Doch wehe! Was umklammert jäh
Mein Schiff? — Polypen, widrig, klebrig!
Ein Riesenarm zerknickt den Mast —
Und ohne Klagelaut versink ich
Im Oceane des Absinths.
Köpfe! Köpfe!
Ihren schmutzig roten Korb
Hält sie mit verschrumpften Händen,
Vor des Kerkers düstrem Thore
Steht sie — eine Bettlerin.
Ihre Kiefern ohne Zähne
Knirschen wie ein Beil auf Holz.
Ihren schmutzig roten Korb
Hält sie mit verschrumpften Händen.
Armes altes Weib! Wer möchte
Mitleidslos vorüberschreiten!
Sprich, was willst Du? — »Köpfe! Köpfe!«
Und die Guillotine schüttelt
Ihren schmutzig roten Korb.
Enthauptung
An Alfred Oehlke
Der Mond, ein blankes Türkenschwert
Auf einem schwarzen Seidenkissen,
Gespenstisch gross — dräut er hinab
Durch schmerzensdunkle Nacht.
Pierrot irrt ohne Rast umher
Und starrt empor in Todesängsten
Zum Mond, dem blanken Türkenschwert
Auf einem schwarzen Seidenkissen.
Es schlottern unter ihm die Knie,
Ohnmächtig bricht er jäh zusammen.
Er wähnt: es sause strafend schon
Auf seinen Sünderhals hernieder
Der Mond, das blanke Türkenschwert.
Rot und Weiss
Kalte, feste, starrende Brüste,
Scharf umrahmt von schimmerndem Purpur!
Lüstern zittert Pierrot, der Feigling,
Vor seiner Herrin dräuender Nacktheit.
Siech und lechzend wirft er zu Boden sich,
Kniet und schaut empor zu den schneeigen
Kalten, festen, starrenden Brüsten,
Scharf umrahmt von schimmerndem Purpur.
Ernst und schweigend streckt die Gebieterin
Nach Pierrot die geschmeidigen Hände aus.
Langsam wühlt sie die Finger ins lockige
Haar und presst sein fieberndes Haupt an
Kalte, feste, starrende Brüste.
Valse de Chopin
An Curt Hezel
Wie ein blasser Tropfen Bluts
Färbt die Lippen einer Kranken,
Also ruht auf diesen Tönen
Ein vernichtungssüchtger Reiz.
Wilder Lust Accorde stören
Der Verzweiflung eisgen Traum —
Wie ein blasser Tropfen Bluts
Färbt die Lippen einer Kranken.
Heiss und jauchzend, süss und schmachtend,
Melancholisch düstrer Walzer,
Kommst mir nimmer aus den Sinnen!
Haftest mir an den Gedanken,
Wie ein blasser Tropfen Bluts!
Die Kirche
An Arno Holz
In der dunklen, weihrauchschwülen Kirche,
Wie ein Strahl des Mondes, der sich einstahl
Durch die halbverblassten Fensterbilder,
Teilt Pierrot die schweigend dumpfe Dämmerung.
Auf das hohe Chor, vermummt in Schatten,
Schreitet er mit weltentrückten Augen —
In der dunklen, weihrauchschwülen Kirche,
Wie ein Strahl des Mondes, der sich einstahl.
Sieh — da flammen plötzlich alle Kerzen
Lodernd auf! Die Nacht zerreisst vor ihnen!
Und sie bluten auf dem lichten Altar
Wie der Finsterniss zerfetzte Wunden —
In der dunklen, weihrauchschwülen Kirche.
Madonna
An Caesar Flaischlen
Steig, o Mutter aller Schmerzen,
Auf den Altar meiner Verse!
Blut aus deinen magren Brüsten
Hat des Schwertes Wut vergossen.
Deine ewig frischen Wunden
Gleichen Augen, rot und offen.
Steig, o Mutter aller Schmerzen,
Auf den Altar meiner Verse!
In den abgezehrten Händen
Hältst du deines Sohnes Leiche,
Ihn zu zeigen aller Menschheit —
Doch der Blick der Menschen meidet
Dich, o Mutter aller Schmerzen!
Rote Messe
An Felix Hausdorff
Zu grausem Abendmahle,
Beim Blendeglanz des Goldes,
Beim Flackerschein der Kerzen,
Naht dem Altar — Pierrot!
Die Hand, die gottgeweihte,
Zerreisst die Priesterkleider
Zu grausem Abendmahle.
Beim Blendeglanz des Goldes.
Mit segnender Geberde
Zeigt er den bangen Seelen
Die triefend rote Hostie:
Sein Herz — in blutgen Fingern —
Zu grausem Abendmahle!
Die Kreuze
An Maria Janitschek
Heilge Kreuze sind die Verse,
Dran die Dichter stumm verbluten,
Blindgeschlagen von der Geier
Flatterndem Gespensterschwarme!
In den Leibern schwelgten Schwerter,
Prunkend in des Blutes Scharlach!
Heilge Kreuze sind die Verse,
Dran die Dichter stumm verbluten.
Tot das Haupt — erstarrt die Locken —
Fern, verweht der Lärm des Pöbels.
Langsam sinkt die Sonne nieder,
Eine rote Königskrone. —
Heilge Kreuze sind die Verse!
Gebet an Pierrot
An Otto von Grote
Pierrot! Mein Lachen
Hab ich verlernt!
Das Bild des Glanzes
Zerfloss — zerfloss!
Schwarz weht die Flagge
Mir nun vom Mast.
Pierrot! Mein Lachen
Hab ich verlernt!
O gieb mir wieder,
Rossarzt der Seele,
Schneemann der Lyrik,
Durchlaucht vom Monde,
Pierrot — mein Lachen!
Die Violine
An Hans Grosse
Der Violine zarte Seele,
Voll schweigend reger Harmonien,
Träumt nun im offenen Gehäuse
Nachzitternder Erregung Träume.
Wer wird aus solcher Ruh sie rühren
Aufs neu mit schmerzensmächtgem Arm,
Der Violine zarte Seele,
Voll schweigend reger Harmonien? —
Ein feiner zager Strahl des Mondes,
Mit letzten Schmerzen süsser Qual
Ironisch tändelnd — reizt und reget
Leis mit dem silberhellen Bogen
Der Violine zarte Seele.
Abend
An Max Liebermann
Melancholisch ernste Störche,
Weiss, auf schwarzem Hintergrunde,
Klappern mit den langen Schnäbeln
Monoton des Abends Rythmen.
Eine hoffnungsleere Sonne
Trifft mit matten, schrägen Strahlen
Melancholisch ernste Störche,
Weiss, auf schwarzem Hintergrunde.
Und der Sumpf, verträumt und müde,
Mit metallisch grünen Augen,
Drin des Tages letzte Lichter
Scheidend blinken — spiegelt wieder
Melancholisch ernste Störche.
Heimweh
An Fritz Mauthner
Lieblich klagend — ein krystallnes Seufzen
Aus Italiens alter Pantomime,
Klingts herüber: wie Pierrot so hölzern,
So modern sentimental geworden.
Und es tönt durch seines Herzens Wüste,
Tönt gedämpft durch alle Sinne wieder,
Lieblich klagend — ein krystallnes Seufzen
Aus Italiens alter Pantomime.
Da vergisst Pierrot die Trauermienen!
Durch den bleichen Feuerschein des Mondes,
Durch des Lichtmeers Fluten — schweift die Sehnsucht
Kühn hinauf, empor zum Heimathimmel,
Lieblich klagend — ein krystallnes Seufzen!
O alter Duft
An Theodor Fontane
O alter Duft — aus Märchenzeit,
Berauschest wieder meine Sinne!
Ein närrisch Heer von Schelmerein
Durchschwirrt die leichte Luft.
Ein glückhaft Wünschen macht mich froh
Nach Freuden, die ich lang verachtet:
O alter Duft — aus Märchenzeit,
Berauschest wieder mich!
All meinen Unmut gab ich preis;
Aus meinem sonnumrahmten Fenster
Beschau ich frei die liebe Welt
Und träum hinaus in selge Weiten . . .
O alter Duft — aus Märchenzeit!
Heimfahrt
An Paul Scheerbart
Der Mondstrahl ist das Ruder,
Seerose dient als Boot:
Drauf fährt Pierrot gen Süden
Mit gutem Reisewind.
Der Strom summt tiefe Skalen
Und wiegt den leichten Kahn.
Der Mondstrahl ist das Ruder,
Seerose dient als Boot.
Nach Bergamo, zur Heimat,
Kehrt nun Pierrot zurück;
Schwach dämmert schon im Osten
Der grüne Horizont.
— Der Mondstrahl ist das Ruder.
Pantomime
An Johannes Schlaf
Leuchtend glüht Italiens blauer Himmel,
Einem bunten Lügenzelt vergleichbar:
Spannt sich über eine seltne Bühne,
Duftig — wie ein wunderliches Traumbild!
Er verschwimmt in unbestimmte Fernen,
Wie verhüllt von luftgewobenen Gazen.
Leuchtend glüht Italiens blauer Himmel,
Einem bunten Lügenzelt vergleichbar.
Colombinchen trippelt auf die Bühne,
Horcht bald rechts, bald links in die Coulissen:
Irgendwo, versteckt in Lorbeerbüschen,
Singt Pierrot sein schwermutreiches Locklied . . .
Leuchtend glüht Italiens blauer Himmel.
Mondfleck
An Ferdinand Pfohl
Einen weissen Fleck des hellen Mondes
Auf dem Rücken seines schwarzen Rockes.
So spaziert Pierrot im lauen Abend,
Aufzusuchen Glück und Abenteuer.
Plötzlich — stört ihn was an seinem Anzug,
Er beschaut sich rings und findet richtig —
Einen weissen Fleck des hellen Mondes
Auf dem Rücken seines schwarzen Rockes.
Warte! denkt er: das ist so ein Gipsfleck!
Wischt und wischt, doch — bringt ihn nicht herunter!
Und so geht er, giftgeschwollen, weiter,
Reibt und reibt bis an den frühen Morgen —
Einen weissen Fleck des hellen Mondes.
Das Alphabet
Das Alphabet — ein scheckig Heer
Von vierundzwanzig bunten Masken!
Dran hab ich in der Kindheit Tagen
Das Buchstabieren einst erlernt.
Und treuer bliebs mir im Gedächtnis,
Als selbst mein Säbel und mein Helm:
Das Alphabet — ein scheckig Heer
Von vierundzwanzig bunten Masken.
Heut ist mir gar, als wär Parade!
Es klopft mein Herz in schnellrem Schlag:
Mein regenbogenfarbger Leutnant,
Mein Harlequin, führt mir vorüber
Das Alphabet — ein scheckig Heer.
Das heilige Weiss
An Ernst von Wolzogen
Das Weiss der Schwäne und des Schnees,
Das Weiss der Lilien und des Mondes
Galt zu Pierrots entschwundnen Zeiten
Als vierfach heiliges Symbol.
Es herrschte mit geweihten Zeichen
In seinen mystischen Feerien
Das Weiss der Schwäne und des Schnees,
Das Weiss der Lilien und des Mondes.
Verachtung alles niedren Glücks,
Verachtung aller Sklavenseelen
Gebot mit hehrer, stummer Macht,
Durch eigne Reinheit triumphirend,
Das Weiss der Schwäne und des Schnees!
Morgen
An Detlev von Liliencron
Ein rosig blasser, feiner Staub
Tanzt früh am Morgen auf den Gräsern.
Leis klingt ein Singen, hell und klar,
Gleich fernem Himmelschor.
Wie eine weisse Rose bleicht
Der Morgenstern im Thau des Himmels.
Ein rosig blasser, feiner Staub
Tanzt auf den Gräsern früh.
Ein zartes, junges Dirnchen flieht
Scheu vor dem lüsternen Cassander.
Die weissen Röckchen streifen leicht
Die Blumen — und es hebt sich duftend
Ein rosig blasser, feiner Staub.
Parodie
Stricknadeln, blank und blinkend,
In ihrem grauen Haar,
Sitzt die Duenna murmelnd,
Im roten Röckchen da.
Sie wartet in der Laube,
Sie liebt Pierrot mit Schmerzen,
Stricknadeln, blank und blinkend
In ihrem grauen Haar.
Da plötzlich — horch! — ein Wispern!
Ein Windhauch kichert leise:
Der Mond, der böse Spötter,
Äfft nach mit seinen Strahlen —
Stricknadeln, blink und blank.
Moquerie
Der Mond gleicht einem blassen Horn
Am duftig blauen Himmelszelte,
Cassander mit dem Kahlkopf schaut
Misstrauisch zu ihm auf.
Verstimmt schiebt er im Weitergehn
Sein letztes Haar mehr in die Stirne —
Der Mond gleicht einem blassen Horn
Im duftgen Himmelsblau.
Mit ängstlich scheuem Aug bewacht
Er Colombine, seine Frau,
Die neben ihm, an seinem Arm,
Oft nach Pierrot zur Seite schielt . . .
Der Mond gleicht einem Horn.
Laterne
Eine fröhlich leuchtende Laterne,
Drin ein windgesichert Flämmchen züngelt,
Trügt Pierrot an einem langen Stabe,
Dass er ja nicht in den Brunnen purzle!
Und in jedem Winkel hält er stille.
Sorgsam stellt er auf das Pflaster nieder
Seine fröhlich leuchtende Laterne,
Drin ein windgesichert Flämmchen züngelt.
Plötzlich schreit er, wie von Wut besessen:
Weh der Welt! Die Leuchte ist erloschen!
Rasend wirft er sich zur Erde nieder
Und mit einem Schwefelholze sucht er —
Seine fröhlich leuchtende Laterne.
Gemeinheit!
In den blanken Kopf Cassanders,
Dessen Schrein die Luft durchzetert,
Bohrt Pierrot mit Heuchlermienen,
Zärtlich — einen Schädelbohrer!
Darauf stopft er mit dem Daumen
Seinen echten türkschen Taback
In den blanken Kopf Cassanders,
Dessen Schrein die Luft durchzetert!
Dann dreht er ein Rohr von Weichsel
Hinten in die glatte Glatze
Und behäbig schmaucht und pafft er
Seinen echten türkschen Taback
Aus dem blanken Kopf Cassanders!
Landschaft
An Curt Baake
Rotgelb, wie ein grosses Ei
Scheint die Sonne durch die Nebel,
Kahle, krüppelhafte Stämme
Ragen schwarz in sie hinein.
Spröde trotzt das Land dem Lenze,
Träge wandelt sich die Welt —
Rotgelb, wie ein grosses Ei
Scheint die Sonne durch die Nebel.
Und ein traurig kaltes Licht
Leuchtet durch die grauen Lüfte,
Schwarzer Vögel Klageschrei
Schrillt herab . . . Die Sonne sinkt,
Rotgelb, wie ein grosses Ei.
Im Spiegel
Eine silberklare Mondessichel,
Hoch im Blau des heitren Abendhimmels,
Blickt in Colombinchens Boudoir
Durch die Flügelthüren der Veranda.
Gegenüber in dem Riesenspiegel
Malt sich, wie das Sinnbild frohen Friedens,
Eine silberklare Mondessichel,
Hoch im Blau des heitren Abendhimmels.
Vor dem Spiegel steht Pierrot, der Eitle,
Stolz auf seine schlanken, weissen Glieder.
Plötzlich lacht er hell —: auf seinem Haupte
Glänzt als Diadem, brillantenfunkelnd.
Eine silberklare Mondessichel.
Souper
An Julius Hart
In einer müden Gondel
Auf dunkelblauer Flut
Sitzt traut mit Colombine
Pierrot beim roten Wein.
Johanniswürmchen leuchten
Als ihres Haars Demanten —
In einer müden Gondel
Auf dunkelblauer Flut.
Der Mond in seiner Güte
Giesst all sein Gold hernieder!
Und ihr zu Füssen duften
Die Veilchen — welk, verstreut
In einer müden Gondel.
Estrade
Auf den Marmorstufen der Estrade,
Flüchtig raschelnd, wie mit seidnem Kleide,
Tanzt der Staub in bläulich weissem Schimmer,
Wirbelnd in den Kanten jeder Stiege.
Denn die Mondesgöttin wandelt leise,
Leichten Schrittes die gewohnten Wege —
Auf den Marmorstufen der Estrade,
Flüchtig raschelnd, wie mit seidnem Kleide.
In den Staub vor seine bleiche Fürstin
Wirft Pierrot sich — im Gebet ersterbend.
Und da liegt der grosse, weisse Körper,
Aufgerankt und in die Höh gebreitet —
Auf den Marmorstufen der Estrade.
Böhmischer Krystall
An Hans Heilmann
Ein Strahl des Mondes, wohl verschlossen
Im Glas von böhmischem Krystall,
Ein Kleinod, wundersam und selten,
Ist dieses versetolle Buch.
Ich hab mich als Pierrot verkleidet —
Ihr, die ich liebe, bring ich dar
Den Strahl des Mondes, wohl verschlossen
Im Glas von böhmischem Krystall.
In diesem schimmernden Symbole
Liegt Alles, was ich hab und bin.
Gleichwie Pierrot im bleichen Schädel,
Trag ich in Herz und Sinnen nur
Den Strahl des Mondes — wohl verschlossen.