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Inge von Holtzendorff – Das Fest der Herzogin

Drama

Oesterheld & Co. Verlag, Berlin, 1920

Bitte beachten Sie, daß die Werke von Inge von Holtzendorff dem Urheberrecht unterliegen. Alle Rechte liegen bei den Erben.
© 2007 ngiyaw eBooks für diese Veröffentlichung.

Personen:

Die Herzogin

Der Kämmerer

Giampietro, Kulli (Narren)

Musikanten, Pagen, Bediente, Herren, Damen, Zofen

Ort: ein sehr lustiger Saal.

Eine Menge von Dienern und Pagen ist beschäftigt, Vorbereitungen für ein großes Fest zu treffen. Musikanten stimmen ihre Instrumente.


EIN PAGE

(schleppt eine Blumenkette herbei)

Weg hier! Die Kette, die große Blumenkette.



EIN ANDERER

Seit wann wird denn der Saal mit Blumenketten behängt?



EIN DRITTER

Pfui, als ob wir alte Jungfern wären und solchen Schmuck brauchten!



EIN VIERTER

Mit solchen brandroten Blüten schmückt man bei uns die Königin, wenn sie gestorben ist.



EIN FÜNFTER

Wie nennt man solche Blumen?



EIN DIENER

Sie haben keinen Namen.



DER FÜNFTE

Aber sie müssen doch irgendeinen Namen haben.



DER VIERTE

Wir sagen Feuerblumen.



DER ZWEITE

Will die Herzogin Kohlen sparen, daß sie mit Blumen heizt?



DER DIENER

Was redest du für Narrenzeug.



DER ZWEITE

Ich bin kein Narr. Kulli ist der Narr.



EIN DIENER

Nicht bloß Kulli, wir haben einen neuen Narren. Weißt du das noch nicht?



DIE PAGEN

(durcheinander)

Was? – Einen neuen Narren? Seit wann denn?



DER DIENER

Seit gestern abend.



DER ZWEITE

Das lügt er. Wir haben an Kulli genug.



DER DIENER

Die Herzogin mag Kulli nicht leiden.



KULLI

(schießt herein, klein und koboldhaft)

Kulli nicht leiden?



EINER

Wir mögen alle Kulli gern leiden.



KULLI

Ihr! Aber die Herzogin!



DER VIERTE

Kulli weiß immer gute Späße.



KULLI

(verzückt)

Die Herzogin! Ach!



DER DIENER

Fängt er schon wieder von der Herzogin an? Kulli, du wirst langweilig.



DER ZWEITE

Laß ihn doch von ihr reden, wenn er sie liebt.



DER ERSTE

Als ob andre sie nicht auch liebten!



KULLI

Ach! sie ist so niedlich!



GIAMPIETRO

(der bisher träumend in der Tür gestanden, ausbrechend in Scham und Hohn)

Niedlich!



ALLE

(sehen sich nach ihm um, einer stößt einen Schrei aus)



EINER

Wo kommst du denn her?



GIAMPIETRO

Ich bin der neue Narr.



KULLI

Ei, Närrlein, Brüderlein, wünsche guten Tag. Komm, da wollen wir zusammen Purzelbäume schießen, wenn die Herzogin kommt.



GIAMPIETRO

Ich kann keine Purzelbäume.



ALLE

(brechen in Gelächter aus)



EINER

Er kann keine Purzelbäume!



KULLI

Das Närrlein kann keine Purzelbäume schießen. Nein! ist das komisch, ist das komisch!

(Er schießt im Saal umher)

Was kannst du denn? Siehst du, Närrlein, sie lachen dich alle aus. Sag schnell Lustiges, damit sie Grund zum Lachen haben!



GIAMPIETRO

(fiebrig und starr)

Ich weiß nichts Lustiges.



ALLE

(lachen noch lauter als vorher)



KULLI

Närrlein, beiß dir die Zunge ab, ehe du sagst, daß du nichts Lustiges weißt. Komm, wir wollen einen Narrentanz aufführen. Wenn dir der Witz nicht in der Zunge sitzt, muß er dir wohl in den Beinen sitzen.



GIAMPIETRO

Ich kann nicht tanzen.

(Gelächter)



EIN PAGE

(nimmt Kulli beiseite)

Kulli, freu dich doch; wenn er so dumm ist, kann er dich nicht bei der Herzogin ausstechen.



KULLI

(glotzt ihn an)

Könnte er mich sonst bei der Herzogin ausstechen?

(Er tanzt im Saal umher.)

Heiho! Er kann mich nicht bei der Herzogin aus-stechen! Er hat das Narrenhandwerk nicht gelernt! Heiho! Heiho!



DIENER

Was willst du denn eigentlich hier, wenn du gar nichts kannst?



GIAMPIETRO

(schüttelt das Haupt)



KULLI

Laß ihn! Er soll in einen Sack gesteckt werden und der Herzogin den Kühltrank bringen. Dann lacht sie sicher.



DIENER

Wie ist er denn Narr geworden, wenn er nichts kann?



KULLI

Ihr sollt ihn in Ruhe lassen. Es ist mein Närrlein. Kannst du gar nichts, Närrlein?



GIAMPIETRO

(im Fieber)

Ich kann von roten Blumen Kränze binden.



DER VIERTE PAGE

Hat er die Blumenkette gemacht? Du, bei uns bekommen die Königinnen solche Blumen -



KULLI

Weg da, wir haben unsre Herzogin, die ist netter als tausend Königinnen. Närrlein, was kannst du sonst noch?



GIAMPIETRO

Ich kann Lieder singen, die sind röter als die roten Blumen.



KULLI

Halt! Halt! Nimm deine Zunge in acht. Wenn du rote Lieder kannst und ich kann das nicht, werde ich dich blau klopfen.



DER ERSTE PAGE

Kulli, sei gut.



KULLI

Er will mich bei der Herzogin ausstechen. Aber vielleicht lern ich das auch. Du, hast du's gehört? Singen sollst!



GIAMPIETRO

Vor euch sing ich nicht.



KULLI

Etwa bloß vor der Herzogin singen, ja? Närrlein, paß auf, daß du mir nicht zu rot wirst. Es wär dein Schade.



DER ERSTE PAGE

Solls noch Schlägereien geben vor dem Fest? Laß ab, Kulli.



KULLI

Was kannst du sonst noch? Außer den roten Liederkränzen?



GIAMPIETRO

Ein drittes kann ich noch, das ist das Röteste. Ich kann, das Blut sehen unter ihrer Haut und weiß, wie es klopft.



KULLI

(hopsend)

Verrückt! Verrückt! Er ist verrückt! Heiho! Und kann mich nicht bei der Herzogin ausstechen, der rote Narr!



KÄMMERER

(kommt, hoch und ernst)

Wollt ihr wohl an die Arbeit, ihr Schlingel? Kulli, was tanzt er denn wie ein Besessener?



KULLI

(kriechend)

Nichts, Herr.



KÄMMERER

Wo kommt die Blumenkette her?



DER ERSTE PAGE

Sie hat vor der Tür gelegen.



DER VIERTE PAGE

Der neue Narr hat sie gemacht.



KÄMMERER

So recht, Giampietro.

(Zu den Musikanten)

Ihr da, gebt acht auf eure Fiedelbogen, sonst werd ich meinen Arm zum Fiedelbogen machen und mir den Resonnanzboden auf eurem Rücken suchen. Holla, hopp! Giuliamo, das Essen.

(Ab in die Küche)

(Stille, nur ab und zu leises Kichern)



KULLI

(leise zu Giampietro)

Ist es wahr, daß du die Blumenkette gemacht hast?



GIAMPIETRO

(nickt)



KULLI

Wie kamst du darauf?



GIAMPIETRO

Ich weiß nicht.



DER ERSTE PAGE

Du sollst ihn in Ruh lassen und arbeiten.



KULLI

Ich habe Mitleid mit ihm, er ist verrückt. Du, Narr, kannst du wirk-lich rote Lieder singen? Ich glaub's nicht. Wie fängt's denn an?



GIAMPIETRO

(starr vor sich hin)

Meine Liebe –-



KULLI

(sich auf die Schenkel klopfend)

Nichts da, Bürschlein. Auf deine Liebe kommt es hier gar nicht an. Ich will dir etwas vertrauen: ich liebe die Herzogin.



GIAMPIETRO

(mit irrem Lachen)

Ich auch.



KULLI

(verblüfft)

Was?

(Dann schreiend)

Verrückt! Kinder, hört's, der neue Narr liebt –



GIAMPIETRO

(springt wild auf ihn zu und packt ihn bei der Gurgel)



KULLI

(strampelnd)

Laß ab! Du würgst mich! Hülfe!



GIAMPIETRO

(gibt ihn frei)



ALLE

(sehen Giampietro scheu an)



KULLI

(kriecht an ihn)

Nicht wahr, du hast bloß Spaß gemacht? Ein etwas plumper Spaß. Aber ich sehe nun, daß du auch Späße machen kannst. - Willst du mir nicht was erzählen? Ich langweil mich immer, wenn ich keine Späße mache.



GIAMPIETRO

(wild)

Ich könnte dir zum Beispiel erzählen, daß ich das Fieber hab, weil ich eine Nacht im Schnee gelegen bin.



KULLI

(entfernt sich etwas von ihm)

Fieber hast?



GIAMPIETRO

Ich bin auch vergiftet. Ein süßes Gift ist in mein Blut gekommen. Deswegen geht es so seltsam.



KULLI

(heuchelnd)

Armer Bruder!

(Er kriecht von ihm weg)

Bleibt ihm zehn Schritt vom Leibe. Er hat die Pest.

(Wichtig zu den Musikanten)

Wenn die Herzogin eintritt, blast ihr euren besten Tusch! Ich liebe sie nämlich.



MUSIKANTEN

Wir auch.



KULLI

(verdrießlich)

Alle Teufel über diese Musikanten!



KÄMMERER

(kommt aus der Küche)

Stiftest schon wieder Unfrieden, Kulli? Wenn deine Zunge weiter so ausgelassen ist, könntest du eines Tages darüber stolpern. Da ist noch einer, Kulli, und zwei Narren braucht die Herzogin nicht.



KULLI

(entsetzt)

Aber er hat ja die Pest!



KÄMMERER

Er hat Fieber, der arme Teufel, weil er im Schnee gelegen hat. Aber wenn Kulli seine Zunge in acht nimmt, will ich ihn wohl behalten. Kann er mir das versprechen?



KULLI

(finster murmelnd)

Er hat ja die Pest.



KÄMMERER

Wenn er mirs also nicht versprechen will –

(Er wendet sich)



KULLI

(streckt ihm die Hände hin)

Hier, hier.



KÄMMERER

Gleich beide Hände? Umso besser. Also, Kulli, ich verlaß mich auf ihn.

(Er redet mit den Musikanten)



KULLI

(kriecht verstohlen an Giampietro heran)

Warum hast du eigentlich im Schnee gelegen?



GIAMPIETRO

(fast schreiend)

Es war unter ihrem Fenster. Begreifst du nun?



KULLI

(dumm)

Ich liebe die Herzogin.

(Pagen kommen und öffnen die große Glastür links. Die Herzogin tritt ein, gefolgt von ihren Frauen, nach ihr füllt der Saal sich schnell mit Herren und Damen in festlicher Kleidung)



HERZOGIN

(sie ist überschlank, seltsam und berauschend. Ihre Kleidung schwarz und gold)

Wie schön habt ihr den Saal für uns schmücken lassen, Herr Kämmerer!



KÄMMERER

Es ist nicht allein mein Werk, hohe Frau!

(Giampietro bei der Hand nehmend)

Der hier hat die Blumenkette gemacht.



HERZOGIN

(sieht Giampietro einen Augenblick durchdringend an, dann lächelnd und leicht)

Wie hübsch hat ers gemacht! Zum Zeichen, da das Fest beginnt, will ich meinem lieben Freund den Arm reichen. Musik!

(Musik und Tanz)



GIAMPIETRO

(der träumend an eine Säule lehnt)

Ihr Lacheln tropfte auf mich herab wie Regentropfen auf das durstige Land. Meine Seele trinkt ihr Lächeln, die durstige. Und meine Seele zittert vor Glück.



KULLI

(zwickt ihn)

Dieb, du hast mir ihr Lächeln gestohlen.



GIAMPIETRO

Ihr Lächeln hat mir gehört und ich darfs behalten.



KULLI

Nicht zu kühn! Jetzt komm ich an die Reihe!

(Er schießt vor der Herzogin, die sich niedergelassen hat, Purzelbäume)



HERZOGIN

Unser Kulli ist doch ein drolliges Männchen.



GIAMPIETRO

(wie oben)

Du bist eine von den Sommernächten. Ich aber bin ein Beet regennasser Heliotropen, die duften in die Sommernacht.



EINE ZOFE

(leise zu Giampietro)

Sag, bist du denn nicht der Giampietro, der bei der Herzogin diente?



GIAMPIETRO

(schüttelt den Kopf)

Ich hieß wohl einmal Giampietro, nun aber heiße ich Felice.



DIE ZOFE

Aber du bist sicherlich der Page, der uns übernacht weglief, und keiner wußte warum.



GIAMPIETRO

Er wird wohl gewußt haben, warum. Ihre Schokolade war ein wenig heiß. Er wollte sich im Schnee kühlen. Aber es hielt ihn doch nirgendwo. Er mußte zurück und liegen, wo er ihr Fenster sah. Mag sein, daß er ihr Page war. Nun aber bin ich eine Kerze, angezündet auf Gioias Fest.



KÄMMERER

(geht vorüber, sieht ihn freundlich an)

Wie gehts, Giampietro?



GIAMPIETR0

Gut, Herr.



KÄMMERER

Kein Fieber mehr?



GIAMPIETRO

Doch, Herr, aber es ist süß, so rotes Fieber zu haben.



KÄMMERER

(sieht ihn an)

Giampietro, du solltest doch wohl lieber zu Bett gehn?



HERZOGIN

Herr Kämmerer, habt ihr nicht ein wenig Kühltrank? Der Tanz ist heiß.



GIAMPIETRO

Wie heiß ist der Tanz.



KÄMMERER

Kulli, mein Knabe, geh den Trank für die Herzogin holen.



KULLI

(rennt umher)

Ach ja, ach ja, der Trank, wo ist er denn?



GIAMPIETRO

(reißt einem Pagen, der den Trank bringt, den Becher aus der Hand und reicht ihn kniend der Herzogin)



HERZOGIN

(lacht)

Kulli, mein Knabe, dein Gesell hat's klüger angefangen!



KULLI

(will schreien: Pest, wird aber vom Kämmerer am Ohr gezogen und verkriecht sich schmollend)



HERZOGIN

(die getrunken hat, gibt Giampietro den Becher zurück und lächelt)

Ich danke dir. Dein Name?



GIAMPIETRO

Felice.



HERZOGIN

(lächelnd)

Ich danke dir, Felice.

(Tanz)



GIAMPIETRO

(ganz versunken)

Ihr goldnes Lächeln fiel in den goldnen Becher. Was hab ich für Schätze gesammelt!



EIN PAGE

(will ihm den Becher abnehmen)



GIAMPIETRO

Was tust du? –Doch nimm ihn. –Ihr Lächeln fiel ja nicht hinein. Es fiel über den Rand in meine Hände. Was bin ich reich!



HERZOGIN

(die sich niedergelassen hat)

Wir wollen ruhen vom Tanz. Man wird doch alt, daß es einen so schnell müde macht. Herr Kämmerer, ihr habt gewiß für Unter-haltung gesorgt. Habt ihr nicht?



KÄMMERER

Frau Herzogin, wir haben einen neuen Narren. Der kann singen.



HERZOGIN

Mein kleiner Freund. Er kann auch singen? Ich freue mich. Felice.



KULLI

(in eine Ecke gedrückt, außer sich)

Rote Lieder!



GIAMPIETRO

Darf ich das?



HERZOGIN

Gewiß.



GIAMPIETRO

(hat sich von den Musikanten eine Geige geholt und fängt eine weiche Weise an)



HERZOGIN

Er spielt süß, der Knabe Felice.



GIAMPIETRO

(wie für sich selbst)

Das macht, daß all mein Glück auf den Saiten tanzt. Es tanzt fast so süß wie die roten Tropfen unter Gioias Haut.



HERZOGIN

(leicht)

Wer ist denn diese schöne Dame, die du Gioia nennst?



GIAMPIETRO

(sieht sie an)

Gioia ist die einzige, der Felice dient.



KULLI

(aus seiner Ecke)

Jetzt wirds rot.



GIAMPIETRO

(singt)

Meine Liebe ist wie ein deutsches Gedicht,
Verflattert in fremdes Land,
Meine Liebe ist wie ein silbernes Licht,
Unsichtbar ins Dunkel gesandt.
Meine Liebe ist eine Blume bleich,
Die heimlich im Dickicht blüht,

Meine Liebe ist ein verschwiegener Teich,
Den nie die Sonne sieht.
Meine Liebe ist wie ein kleiner Wind,
Der rote Blüten zerstiebt,
Meine Liebe ist wie ein weinendes Kind,
Das sich in den Vollmond verliebt.



GIAMPIETRO

(bricht jäh ab, er und die Herzogin sehen sich einen Augenblick in die Augen)



HERZOGIN

Er hat eine süße Stimme, der Knabe Felice.



KULLI

Ist das Narrenweise?



HERZOGIN

Komm her, Kulli, du darfst auch singen.



KULLI

(singt)

Der so vor Euch gesungen hat,
Das ist ein Schelm gewest,
Der so vor Euch gesungen hat,
Der wird von rotem Fieber satt
Und hat dazu die Pest.



KÄMMERER

(packt Kulli und befördert ihn hinaus, ganz ruhig)

So, mein Bürschlein.



HERZOGIN

(lacht)

Kämmerer, er ist ein Narr.



KÄMMERER

Aber ein schlechter. Er ist nicht wert, Euch zu dienen.



HERZOGIN

Deine Weise, Felice, hat mir besser gefallen. So sollst du dir auch eine Gunst bitten.



GIAMPIETRO

(der sie immer ansieht)

Noch mehr?



HERZOGIN

Du hast süß gesungen, Knabe Felice.



GIAMPIETRO

(schnell)

Dann sollt Ihr mich bier an Eurer Seite stehen lassen, Frau Herzogin.



HERZOGIN

(lacht)

Die Gunst sei dir gewährt. Bleib hier stehen und warte, bis ich wieder vom Tanzen müde geworden bin; denn deine süße Weise hängt an meinen Gliedern.

(Tanz)



GIAMPIETRO

(tief versunken)

Nun tanzt die Herzogin Gioia auch Felices Liebeslied. Dann aber wird sie hierher zurückkommen, und ich werde unter ihren Augen sein. Einen ganzen Abend lang werd ich unter ihren Augen leben … Mein Blut blüht dir entgegen in süßer Trunkenheit, auch die Luft blüht, die ganze Welt ist in Blumen aufgegangen vor Felices blühen-dem Blut … Das Brennen meines Blutes ist wie Weihrauch, vor dem Madonnenbilde deiner Schönheit angezündet … Meine Seele ist ein Garten wilder Scharlachblüten, aber aus deinen Händen blüht der Segen, du sollst die Hände breiten über den wilden Blüten-garten meiner Seele. Denn nun kommst du, und ich werde unter deinen Augen brennen.

(Aufjubelnd)

Nun kommst du!



HERZOGIN

(kommt, lächelnd)

Ach, du hast also wirklich auf mich gewartet?



GIAMPIETRO

(sucht immerfort ihre Augen, sie vermeidet seinen Blick)



HERZOGIN

Ach, Felice, tanzen macht müde. Meinst du nicht auch? Ich will mich hierher legen und du sollst neben mir sitzen, wenn du magst. Magst du?



GIAMPIETRO

(nickt)



HERZOGIN

(streckt sich halb auf das Lager aus)

Komm, Felice, erzähl mir was – – –

(da Giampietro sie fortwährend fieberhaft ansieht)

Oder wenn du so stumm bist, will ich dir etwas erzählen. Ach, Felice, ich habe drüben einen Kakadu, den habe ich zu lieb. Hast du die Vögel auch so lieb? Er ist nämlich so niedlich und manchmal ungezogen. Das mag ich leiden. Wenn ich aus dem Zimmer gehe, kreischt er so lange, bis ich wiederkomme. Aber man muß ihm jetzt die Flügel schneiden. Kannst du das vielleicht? Ich finde es so grausam, Vögel mit unbeschnittenen Flügeln einzusperren. Ach, Felice, es ist ein süßer kleiner Kakadu.



EIN HÖFLING

(fordert die Herzogin zum Tanz auf)



HERZOGIN

Auf Wiedersehn!

(Tanz)



GIAMPIETRO

(starrt ihr unaufhörlich nach und reglos)



HERZOGIN

(kommt zurück und läßt sich wieder auf dem Lager nieder)

Nun, Felice, ist dir inzwischen nichts eingefallen, was du mir er-zählen könntest?



GIAMPIETRO

Ja. Und es ist auch eine Geschichte von einem Vogel. Nur daß ihr diesen nicht lieb habt wie Euren Kakadu. Er ist bunt wie ein Narr!



HERZOGIN

Ein Papagei?



GIAMPIETRO

Aber innen ist er rot. Das macht, daß der Vogel trunken ward an Gioias Lächeln. Habt Ihr schon mal einen betrunkenen Vogel gesehn? Es ist ein sehr komischer Anblick. Kulli würde sicher rote Lieder auf ihn zu singen wissen. Ach, es war ein süßer kleiner Kakadu. –Ihr müßt mir verzeihen. Es ist manchmal so leer in meinem Kopf und nichts als Blut darin. Es steigt immer auf und ab. Davon bin ich so rot im Gesicht. Ihr müßt nicht denken, daß ich die Pest habe. Es ist nur ein wenig Gift in meinem Blut. Das kommt immer noch von der ersten Nacht, wo ich im Schnee zu Bett ging. Ich mußte immer nach den Fenstern sehen. Sie waren so rot wie Blut. Das Blut rann unaufhörlich daran nieder. Endlich hob der Kämmerer mich auf. Er wollte mich zu seiner Mutter schicken. Aber was sollte ich denn da? Meine Flügel waren ja noch nicht beschnitten. Ich bat ihn solange, bis er mich zu Gioias Hofnarren machte. Ach Gott, das hatte meine Mutter auch nicht gedacht, daß ich als Verrückter enden würde.



HERZOGIN

(die ihm in steigender Beklommenheit zugehört hat)

Kämmerer, habt Ihr nicht noch ein wenig Kühltrank? Mein armer Knabe!



GIAMPIETRO

Ist die Geschichte von dem roten Vogel nicht recht unterhaltsam?



EIN PAGE

(bringt den Trank)



HERZOGIN

(nippt daran und reicht ihn lächelnd Giampietro)



GIAMPIETRO

(trinkt hastig, indem er sie unverwandt ansieht)



HERZOGIN

Ist dir besser, Felice?



GIAMPIETRO

(nickt)

(Tanz)



GIAMPIETRO

(starrt auf ihren Platz, als säße sie noch dort)

Willst du mich immer noch mit deinem Lächeln kirren? Das kannst du nun nicht mehr. Dein Lächeln fiel in den Wein, und ich habe es verschluckt. Es gibt nun kein Lächeln mehr auf der Welt.



KULLI

(schleicht sich wieder an Giampietro heran)

Du, wie stehts mit dir und der Herzogin?



GIAMPIETRO

(schrickt auf)

Das ist mein Nebenbuhler. Er ist blau und ich bin rot. Ich muß ihn ausstechen. Aber wie fang ich das nur an? Du, komm, armer Knabe, erzähl mir was.



KULLI

(sieht ihn neugierig an)



GIAMPIETRO

Oder wenn du immer so stumm bist, will ich dir was erzählen. - Kulli, wie fängt man das an, wenn man ein guter Narr werden will?



KULLI

Ja, siehst du, die Hauptsache ist eben, daß man recht lustig ist. Man muß tanzen können und Purzelbäume schießen. Und vor allen Dingen keine roten Lieder singen, hörst du? Sondern Narrenweisen, recht lustige.

(Er macht sich aus dem Staube, da der Kämmerer kommt)



GIAMPIETRO

(zum Kämmerer)

Kann ich nicht auch lustig sein?



KÄMMERER

Ja, das kannst du, Giampietro.

(Er verneigt sich vor der Herzogin, die sich inzwischen wieder niedergelassen hat) Madonna, das Essen wartet.



HERZOGIN

Wir sind froh darüber. Herr Kämmerer.

(Sie nimmt den Arm eines Hofmannes und geht an Giampietro vorüber hinaus in den Speisesaal. Die übrige Gesellschaft folgt ihr paarweise)



GIAMPIETRO

(während die Herzogin vorübergeht)

Ich bin heute so lustig, gnädige Frau!



HERZOGIN

Du hast recht, Felice, in deinem Alter muß man lustig sein.

(Sie geht)



GIAMPIETRO

Jetzt will ich noch einmal so lustig werden wie der kleine Narr. Sonst muß ich wieder hinaus in den Schnee. Ich kann ja nicht, ich habe es ja schon einmal gewollt. Ich kann ja nicht loskommen. Es ist so heiß hier. Ich habe nun lange genug in deinen Banden gelegen und auf das Rauschen deines Blutes gehört. Nun will ich einmal so recht lustig werden. Es liegt mir nicht ganz. Man muß sich Mühe geben, ein lustiger Vogel zu werden. Sie hat die Vögel lieb.



KULLI

(kommt)



GIAMPIETRO

Ach, Kulli, ich bin so schrecklich lustig heute abend.



KULLI

So?



GIAMPIETRO

Aber man kann auch gar nicht lustig genug werden. Wenn man jung ist, kann man gar nicht lustig genug sein. Komm, Kulli, wir sind zwei Narren, wir sind zwei lustige Kumpane und wollen zu-sammen Späße machen. Das gibt dann doppelte Späße. Und vielleicht auch ein doppeltes Lächeln. Das ist dann für mich. Das weißt du doch?



KULLI

Ich liebe die Herzogin.



GIAMPIETRO

Also, wie gesagt, das Lächeln für mich und das Weinen für dich. Ha! Ha! Jetzt hab ich meinen ersten Narrenwitz gemacht. Sie kann nämlich nicht weinen, mußt du wissen. Wenn du gute Geschäfte machst, wollen wir tauschen. Mir ist sowieso mehr weiner-lich in der Lunge.



KULLI

(etwas eingeschüchtert)

Wir wollten doch lustig sein!



GIAMPIETRO

Ach ja, ich hatte es eben fast vergessen. Wie wirds doch gemacht? Gibt es nicht irgendein Rezept dafür?



KULLI

Wir könnten zum Beispiel einige Purzelbäume schlagen.



GIAMPIETRO

Ach ja.



KULLI

(tut es)

So, nun du.



GIAMPIETRO

Ja, die Sache ist nur die, daß mir das Blut so leicht aus dem Gehirn läuft, wenn ich mich auf den Kopf stelle, und die Herzogin könnte in der Blutlache ausgleiten. Weißt du sonst nichts?



KULLI

(etwas ängstlich)

Ja, gewiß. Aber ich glaube, sie sind jetzt schon bei den Forellen.



GIAMPIETRO

Ach, das ist lustig. Weißt du, Forellen, die springen immer so wie die Tropfen in Gioias Blut. Springt man so, wenn man lustig ist?



KULLI

Nicht ganz.

(Er springt)

So springt man.



GIAMPIETRO

Ach, du bist ein Narr, du denkst immer bloß daran, daß die jetzt essen.



KULLI

Ja, es gibt nämlich Pilze, und die mag ich so gern. Wir dürfen in die Küche gehen und uns holen. Der Kämmerer hat's gesagt.



GIAMPIETRO

(schüttelt sich)



KULLI

Lachst du?



GIAMPIETRO

Das Fieber. Es ist, glaube ich, eine Pilzvergiftung. Trägt die Herzogin Trauer, wenn ihr Narr stirbt?



KULLI

(lacht)

Was du aber auch alles für Einfälle hast! Nein!



GIAMPIETRO

Dann will ich doch lieber am Leben bleiben. Sonst vergißt sie mich so leicht über Nacht, und ich liege dann da unten als Gerippe fest-gefroren und kann nicht herauf.



KULLI

Nun stehen sie schon auf. Jetzt gehe ich aber. Kommst du?



GIAMPIETRO

Nein, nein, Ihr wollt mich wieder vergiften! Ich lasse mich aber nicht bei lebendigem Leibe verbrennen.



KULLI

(geht in die Küche)

(Die Gesellschaft kommt zurück, voran die Herzogin, von ihrem Kavalier geleitet)



GIAMPIETRO

(starrt sie an)

Sie hat das Lächeln wirklich nicht mit fortgenommen, als sie sich die Lippen trocknete. Und dabei hab ich manchmal so abscheuliche Gedanken, als ob sie alle aufgeputzte Gerippe wären, und ihr Lachen das letzte Zucken vor der Totenstarre.



DER KAVALIER

(zur Herzogin)

Er ist hübsch, der neue Narr.



HERZOGIN

(Lächelt Giampietro an)

Er heißt Felice.



GIAMPIETRO

Ja; und ich bin heute so merkwürdig lustig.



HERZOGIN

Das freut mich, Felice, vielleicht kannst du uns noch etwas vorspielen.



GIAMPIETRO

Ach, ich fürchte nur, daß die Saiten springen! Aber ich könnte euch selber etwas vorspringen. Ich habe nur etwas Angst, daß ich hinfalle; dann kommt man so schwer wieder auf. Der Kämmerer hilft mir aber sicher. Und ich bin heute so sehr lustig.



HERZOGIN

Spring nur, Felice, es wird lustig rein.



GIAMPIETRO

Nun will ich ebenso lustig springen wie die Forellen unter Gioias Haut.

(Er versucht einige Sprünge und stürzt dabei zu Boden)



HERZOGIN

(unruhig)

Steh auf!



KÄMMERER

(neben ihm)

Was hast du, Giampietro?



GIAMPIETRO

(schreit)

Die Pest!



KÄMMERER

Frau Herzogin. Euer Narr ist krank.



HERZOGIN

Der arme kleine Narr. Man soll ihn in ein weiches Bett legen.



KÄMMERER

Ich will dich tragen.

(Er will ihn aufheben.)



GIAMPIETRO

(stößt wahnsinnige Schreie aus und schlägt wild um sich. Die Herzogin wird hinausgeführt, die Gäste entfernen sich schnell)



GIAMPIETRO

Kämmerer, Kämmerer, halt mich fest, sie wollen mich ins Grab legen.

(Matt) Hilf mir doch.



KÄMMERER

(zu Kulli, der sich herangeschlichen hat)

Kulli, mach die Lichter aus, bis auf diese zwei. Und gib mir das Kissen da her und die Decke.



KULLI

(tut es)



KÄMMERER

(bettet Giampietro, welcher allmählich ruhiger geworden ist, und legt ihm die Hand auf die Stirn)



GIAMPIETRO

(leise)

Ist es Sünde, daß mein Blut so rauscht? Das Wasser rauscht doch auch. Oder nicht?



KÄMMERER

Still, Kind. Kulli, sag denen in der Küche, sie sollen nicht so mit dem Geschirr klappern.



KULLI

Soll ich einen Arzt holen?



KÄMMERER

Er braucht keinen mehr. Geh ins Bett, Kulli, der Tod ist kein Anblick für solche kleinen Jungen wie du.



KULLI

(zieht sich zurück)



GIAMPIETRO

(packt den Kämmerer beim Kopf, leise)

Hast du die Herzogin lieb?



KÄMMERER

Wie nichts in der Welt.



GIAMPIETRO

Ist sie denn gut?



KÄMMERER

Das nun nicht.



GIAMPIETRO

Und du hast sie lieb?



KÄMMERER

Kann man denn nur das Gute lieben?



GIAMPIETRO

(sinkt schwer zurück)

Das Schöne – –-



KÄMMERER

Siehst du, Giampietro, die Herzogin ist ein wenig eitel und gefallsüchtig und ein wenig unwahr und ein wenig schwach. Und ich liebe sie dennoch sehr. Kannst du das verstehn?



GIAMPIETRO

(stöhnend)

Nein.



KÄMMERER

Giampietro, du mußt nicht böse auf sie sein, weil sie nicht so gut ist, wie du glaubtest.



GIAMPIETRO

Ach, ich dachte nur, sie sollte nicht ganz so viel lächeln.



KÄMMERER

Ja, Giampietro, ich weiß es. Es gab im ganzen Saal keinen, der nicht an ihrem Lächeln krank war. Und wer sie einmal lächeln sieht, geht ihr nach um das zweite Lächeln. Du mußt ihr deshalb nicht so böse sein.

(Er streichelt ihn sanft)

Hör mich, Giampietro, geht das nicht, daß wir sie lieb haben, die Herzogin, du und ich, nicht, weil sie sehr verlockend lächeln kann, aber weil –

(mit erstickter Stimme)

sie zu lieben trotz allen ihren Frauenschwächen …



GIAMPIETRO

(wieder im Fieber)

Kämmerer, sieh doch, sieh doch nur, sie hält mein Herz in den Händen, und das Blut quillt immer so zwischen den Fingern hervor. Es tut mir so entsetzlieh weh, weil sie so kalte Hände hat.

(Schluchzend)

Das arme Herz!

(Wild)

Aber so hilf ihr doch! Siehst du denn nicht, daß sie sich so leicht vergiften kann? Mein Blut ist giftig.

(Er hängt schluchzend an des Kämmerers Hals)

Kämmerer, Kämmerer, wie konnte sie das tun! Ich freute mich, daß ich neben ihr stehen durfte, und sie erzählte mir von ihrem Kakadu!



KÄMMERER

Ruhig, du Kind. Wer wird denn auch so gluten um eine fremde Frau!



GIAMPIETRO

(sinkt stöhnend zurück)

Ich kann es nicht verstehn.



KÄMMERER

Giampietro, tut es dir irgendwo weh?



GIAMPIETRO

– – – so heiß – – –



KÄMMERER

Ich gehe dir Eis holen. Bleib ganz ruhig liegen, Giampietro.

(Er geht in die Küche)



KULLI

(kriecht müde aus seinem Winkel hervor)

Armes Närrlein. Siehst du, ich wußte ja nicht, daß du sterben mußt. Sonst wäre ich auch nicht immer so gewesen. Aber es tut mir leid. Ich will dir was schenken. Siehst du, das ist von der Herzo-gin ihrem Kleid. Ich geb es dir nicht gern; denn ich liebe sie. Und sie ist immer so niedlich. Da.



KÄMMERER

(kommt zurück)

Kulli, hast bei ihm gewacht?



KULLI

Aber er sagt ja gar nichts mehr.



KÄMMERER

Sagt er nichts mehr?

(Er sinkt erschüttert zusammen und küßt Giampietros Kopf. Stille)



KULLI

(weint leise. Die Lichter verlöschen, es ist ganz dunkel)



HERZOGIN

(im Nachtgewand kommt herein, sie trägt ein Licht. Spähend)

Felice – –-



KÄMMERER

Gebt acht, daß Ihr nur nicht auf die Leiche tretet, Frau Herzogin.


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