Zwei Weiber, ich, zwei Sanitäter.
Man fährt uns fort wie Missetäter.
Im grünen Wagen.
Ein altes Weib,
Das tobt, ist auf ein Brett geschnallt.
Das andre bäumt den jungen Leib
Und krallt
Sich fest. Man muß es tragen.
Aber im Wagen
Sitzt es still und raucht Zigaretten.
Es erzählt mit koketten
Gesten den Sanitätern,
Es habe ein Kind
Mit sieben Vätern.
Das sei blind – –
– – – –
Wir fahren in das Irrenhaus.
Wir fahren aus der Welt hinaus.
Wir kriechen krumm
Im Kreise stumm
Mit klebenden kleinen
Schritten um
Uns herum –
Dann und wann
Fängt einer an
Zu weinen –
Die Wärter rauchen
Dicke Zigarren.
Breit. Sie brauchen
Nicht zu fragen.
Wir sind Narren.
Wir tragen
Kleider, die nicht passen.
Wir müssen mit uns machen lassen.
Abends beginnen die Kranken zu schreien.
Zerbrechen die Betten.
Zerreißen
Mit heißen
Händen die Ketten.
Und speien
Ihr Blut ins Dunkeln,
Wo Wärteraugen giftig funkeln.
Am Weihnachtsabend unterm trauten
Im Saal hochaufgebauten
Sternbesteckten Tannenbaum:
Die Wärter sangen mit lauten
Rauhen Stimmen einen Choral.
Die Kranken schauten
Wie im Traum
Mit blöden Blicken sentimental
Auf den Baum.
Plötzlich fing einer an zu pfeifen.
Irgendeine
Melodie.
Und beugte die Knie
Und seine
Hände griffen krampfig ins Leere.
Er lachte und schrie:
»An die Gewehre!«
Lachte
Und packte dabei
Einen der Wärter und warf ihn wider die Wand
Daß es krachte.
Und schlug ihm mit der geballten Hand
Den Schädel zu Brei.
In der Ecke bei dicken Spinnen
In blutige Linnen
Gekleidet
Hockt ein Tier.
Das grinst und schneidet
Grause Grimassen.
Und wir
Mit blassen
Blicken hassen
Das Tier.
Wer mit uns spricht,
Sagt immer ja und niemals nein –
Unsere Worte haben kein Gewicht.
Man widerspricht uns nicht.
Man läßt uns König, Hund und Bettler sein.
Man läßt uns schrein.
Man macht ein ganz gleichgültiges Gesicht.
Und manchmal sperrt man einen ein
In eine Kammer, die ist klein
Und rund und hat kein Licht.
Die Nacht ist nah. Da nagt die Not.
Eine Glocke klappernd klingt.
Der Wärter bringt
Die Spritze. Die ersehnte Süße
Des Morfiums erfüllt die Füße.
Wir sind tot.
Und im Traume
In die ferne
Stille der Sterne
Getragen
Wir ragen
Ruhig im Raume.
Man hat uns aus der Welt
In das Dunkel gestellt.
Man hat mit Stangen
Uns umgittert,
An denen unser Blick zersplittert.
Unsre Wangen
Sind verwittert.
Unsre Lippen, die einst froh
Sangen,
Sind verbittert.
Rauh und roh
Werden die Worte
An dem von Gott verfluchten Orte.
Um 8 Uhr muß man schlafen gehen.
Doch viele finden
Keinen Schlaf und drehen
Und winden
Weinend sich auf den harten Matratzen.
Einer hat die Gewohnheit zu schmatzen.
Stundenlang. Immer im Takt.
Andere schwatzen.
Und einer, der ist alt und feist,
Hopst splitternackt
Rund um den Saal.
Bis ihn einer der Wärter packt
Und wieder auf die Pritsche schmeißt
Daß es kracht.
In jeder Nacht
Wohl siebenmal.
Der Christus an der Wand ist gleich
Einer Blume bleich
Entblüht dem Kot.
Wir lallen lange Litaneien.
Doch jener hört kein Schreien.
Er ist tot.
Wir liegen lallend lang in Reihen
Gekreuzigt auf die harten Betten,
Niemand wird uns retten.
Einer steht den ganzen Tag
Und wartet, ob man ihm öffnen mag.
In vielen Wochen
Hat er nicht ein Wort gesprochen,
Hat er nicht gelacht.
Und seine Blicke gehen
Tief in die Ferne.
Seine Augen stehen
Versteinte Sterne
In ewiger Nacht.
Einmal morgens nach einer langen
Lastenden Nacht –
Weh erwacht,
Vom Bette aus
Durch das Fenster sah man zerrissen
Von rostigen Stangen
Ein kleines Stück
Himmlischen Blaus.
Die Kranken krochen aus den Kissen.
Ihre Herzen bebten.
Manche erlebten
Vielleicht ein letztes kleines Glück.
Der Wärter aber hat sie mit Hieben
Zurück
In die höllischen Betten getrieben.
Wir möchten sterben
Und dürfen nicht.
Wind warf uns an die Wand.
Eine harte Hand
Schlug unser Leben in Scherben.
Man band
Mit Ketten
Uns auf die Betten.
Man will es nicht,
Daß wir sterben.
Wir sollen mit sanftem Gesicht
Im Dunkel verderben.
Die Türme tanzen im Morgen rot.
Wir schlugen die wandernden Wünsche tot.
Andere Arme schaffen das Werk –
Flut, und Flamme. Baum und Berg.
Wir singen das Lied, das seelelos
Stieg aus einem Jungfernschoß.
Gottes graue Greisenhand
Führt uns ins gelobte Land.
Der Traum entrinnt
Den Händen wie Wind.
Wir gehen
Auf weißen leisen Zehen
In Nacht und Not.
Wir beugen uns dem Gebot.
Wir sind allein.
Der Traum entrinnt.
Und Nebel spinnt
Uns ein –
Bis wir blind
Und gestorben sind.
Wir greifen mit den heißen Händen
Hart in das morgennasse Gras.
Wir stehn zum Sprung und stehn vor Wänden
Und was wir lieben, liegt weit hinter Glas.
Und alle Freude ist uns fremd und fern.
Es bleibt uns nur ein tausendfaches Sterben.
Und unsre Füße schreiten über Scherben.
Ob unsern Stirnen steht kein Stern.
Die Welt liegt weit und weiß
Und weich im Schnee.
Die Welt entläuft uns leis
Ein flüchtiges Reh – –
Eine lange Nacht
Steht uns bevor – –
Der Wagen fährt tief in ein dunkles Tor.
Und macht
Jäh halt –
Im Hof der Irrenanstalt.
Geräusche rasen
Alle Straßen
Strahlend strömen in die Welt.
Gehn ist uns vergällt.
Fuß zerfällt.
Warum hält
Man uns fest –
Warum läßt
Man uns nicht sterben
Und verderben
Wie es uns gefällt –
Wir wandern um die Wand
Im Kreise immer, krank und krumm.
Wir werden dick, wir werden dumm.
Wir wandern um die Wand herum.
Und Tag für Tag. Den ganzen Tag.
Und einmal, eines Morgens lag
Der eine da, – den traf der Schlag.
Wir andern aber standen stumm.
Wir standen alle wie versteint
Wir wußten, was uns ewig eint,
Und keiner, keiner hat geweint.
Wir wandern um die Wand herum.
Unser Denken ist zerbrochen.
Ein böser Stern
Hat uns ins Gehirn gestochen.
Das war vor manchen Wochen
Meilen fern.
Damals krochen
Wir ins Dunkeln
Vor dem Funkeln
Der Blicke des Herrn.
Aber er hat uns gerochen
Und das Urteil gesprochen.
Und wir sterben gern.